I. Problemstellung
Die Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume mit optisch-elektronischen Einrichtungen bedeutet grundsätzlich für den denjenigen, der beobachtet wird, einen Eingriff in seine Rechte, da der Betroffene eine Beobachtung nicht vermeiden kann, gleich ob er ihr zustimmt oder nicht. Da indes auf Seiten des Beobachtenden oftmals triftige Gründe gegeben sind, eine solche Beobachtung vorzunehmen, stellt sich in jedem Einzelfall die Frage nach einer Abwägung der widerstreitenden Interessen und Rechtsgüter.

II. Die Person des „Beobachtenden” und die „Betroffenen”

Die Videobeobachtung in Wohnanlagen stellt somit ein rechtliches Problem für den (Allein-) Eigentümer eines Grundstücks (in Bezug auf Dritte wie Besucher, Lieferanten oder Nachbarn) dar, als auch für den vermietenden Eigentümer, die sowohl in die Rechte Dritter, als auch in die der Mieter eingreift.
Für den Fall des Wohnungseigentums ist als Besonderheit zu berücksichtigen, dass hier neben den persönlichen Rechtsgütern der o.g. Personenkreise zusätzlich die Frage nach einer Regelungskompetenz der Wohnungseigentümergemeinschaft zu stellen ist, soweit die Beobachtung auf der Grundlage von Eigentümerbeschlüssen erfolgt.
Hier sind die Beschlusskompetenzen in Bezug auf Gebrauchs- und Nutzungsregelungen (§ 15 WEG) sowie die Beschlusskompetenzen in Bezug auf bauliche Maßnahmen (§§ 21, 22 WEG) zu hinterfragen.
Ferner ergeben sich regelmäßig rechtliche Kollisionen zwischen dem grundsätzlich unbeschränkten Gebrauchs- und Benutzungsrecht des einzelnen (beobachtenden) Wohnungseigentümers (§§ 13, 14 WEG) in Bezug auf etwaige damit im Zusammenhang stehende bauliche Veränderungen (§ 21 Abs. 1 WEG) sowie die sich aus § 14 Nr. 1 WEG ergebenden Beschränkungen.
Weiter ergeben sich die o.g. Probleme auch dann, wenn (gerade im Mietrecht bzw. Wohnungseigentum) aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften behördlicherseits Beobachtungsmaßnahmen durchgeführt werden[96].

III. Rechtsbeeinträchtigung
Der BGH hat sich mehrfach dazu geäußert, dass (unabhängig von rechtlichen Sonderbeziehungen – wie Miete oder WEG) das wegen eines Eingriffs in das Recht am eigenen Bild als besonderer Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 1, 2 GG) im Falle der Videoüberwachung grundsätzlich eine Rechtsverletzung vorliegt[97].
Dieses Recht bedeutet die Befugnis jedes Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Sachverhalte offenbart werden. Über die Preisgabe und Verwendung persönlicher Daten bestimmt grundsätzlich der Betroffene selbst[98].
Dieses Selbstbestimmungsrecht wird bei der Videoüberwachung von Grundstücken und Wohnanlagen also insbesondere deshalb beeinträchtigt, weil Betroffene einer Videoüberwachung nicht ausweichen können, die Beobachtung als solche bzw. die Verwendung der gewonnenen Erkenntnisse also regelmäßig weder beeinflussen, noch erkennen können. Betroffene müssen demnach, auch gegen ihren Willen, mit einer Aufzeichnung ihres Bildes rechnen, wobei unerheblich ist, ob überhaupt eine Beobachtung oder gar Aufzeichnung erfolgt oder nicht.
Für den Bereich des Mietrechts ist zusätzlich zu berücksichtigen, dass eine Videoüberwachung grundsätzlich eine durch die Verletzung des Rechts am eigenen Bild indizierte Minderung der Gebrauchstauglichkeit der Mietsache mit den hieraus folgenden Mängelrechten des Mieters darstellt (§§ 535, 536 – 536d BGB).
Im Bereich des Wohnungseigentumsrechts ist zu beachten, dass die seitens der Wohnungseigentümergemeinschaft durchgeführte Videoüberwachung gegen die Grundsätze ordnungsmäßiger Verwaltung verstoßen kann (§ 21 Abs. 3 WEG) und die Ausübung hierauf bezogener Beschlusskompetenzen fraglich sein kann (§ 15 Abs. 2 WEG für Gebrauchsregelungen; § 22 WEG für bauliche Maßnahmen)
1. Keine Rechtsbeeinträchtigung bei bloßer Besorgnis
Der BGH hat indes in einer aktuellen Entscheidung klargestellt, dass die bloße Besorgnis der Möglichkeit einer Videoüberwachung ohne konkrete objektive Anhaltspunkte einer solchen nicht ausreicht[99].
2. Attrappen
Die Anbringung bloßer Attrappen bedeutet indes mit Blick auf die obigen Ausführungen regelmäßig einen Eingriff in das Recht am eigenen Bild, da der Betroffene mit einer Aufzeichnung rechnen muss (was ja auch bezweckt wird)[100].

IV. Abwehrrechte
Der Beobachtende kann daher grundsätzlich aus dem allgemeinen Abwehranspruch gem. § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 1, 2 GG auf Unterlassung der Videoüberwachung und Beseitigung der entsprechenden technischen Anlage sowie zur Herausgabe gewonnener Aufzeichnungen in Anspruch genommen werden.
Ist (auch) das (Wohnungs-)Eigentum des Beobachteten betroffen, so ergeben sich entsprechende Rechte aus § 1004 BGB (i.V.m. §§ 21 Abs. 1, 15 Abs. 3, 14 Nr. 1 WEG).
Da sich die öffentlich-rechtliche Regelung des einschlägigen § 6b BDSG zwar auch an Private richtet, nach dem Wortlaut der Norm aber nur öffentlich zugängliche Räume[101] betroffen sind, hat diese Bestimmung mit den aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 6b BDSG folgenden Ansprüchen bei der Videoüberwachung v! on Wohnanlagen nur indirekte Auswirkungen (so für die Beurteilung der Übereinstimmung eines Eigentümerbeschlusses mit den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung sowie, siehe nachfolgend für die Güterabwägung)[102].

V. Rechtfertigung der Rechtsbeeinträchtigung
Indes führt der Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht als solcher noch nicht zu einer Rechtswidrigkeit der Videobeobachtung. Die Rechtsprechung erkennt an, dass der jeweilige Eigentümer ein durchaus rechtlich schützenswertes Interesse an einer Videobeobachtung haben kann.
Voraussetzung ist indes stets, dass die Besorgnis vor Rechtsverletzungen sich auf konkrete aktuelle Vorkommnisse der Vergangenheit konkret auf der Grundlage einer nachvollziehbaren Wiederholungsgefahr bezieht[103], wobei der Verantwortliche durch die Videoüberwachung entweder ermittelt oder aber von weiteren Rechtsverletzungen durch die Videoüberwachung abgeschreckt werden kann[104].
Typische Fälle sind vorangegangene Körperverletzungen, Sachbeschädigungen, Verletzungen der Ehre („eskalierender Nachbarstreit”)[105].

VI. Rechtsgüterabwägung
Da somit widerstreitende Interessen zu berücksichtigen sind, ist eine umfassende Rechtsgüterabwägung vorzunehmen, um festzustellen, ob die Videoüberwachung auch tatsächlich rechtswidrig ist (hierzu die Rechtsprechung):
Ob und in welchem Umfang eine Videoüberwachung sowie eine Videoaufzeichnung rechtswidrig und unzulässig oder vom Betroffenen hinzunehmen sind, kann nur unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls und durch Vornahme einer unter Berücksichtigung aller rechtlich, insb. auch verfassungsrechtlich geschützten Positionen der Beteiligten durchgeführten Güter- und Interessenabwägung ermittelt werden[106].
Denn das allgemeine Persönlichkeitsrecht unterliegt, solange nicht die unantastbare Intimsphäre des Betroffenen berührt! ist, keinem schrankenlosen Schutz. Es tritt in Konflikt mit den u.U. ebenfalls berechtigten Interessen desjenigen, der die Videoaufzeichnungen angefertigt hat. Beide Belange sind – unter maßgeblicher Berücksichtigung der besonderen Umstände des konkreten Falls – bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit des Vorgehens gegeneinander abzuwägen[107].
Von maßgeblicher Bedeutung ist dabei, ob die Videoüberwachung mit oder ohne Aufzeichnungen[108], verdeckt oder offen[109], zum Schutz welcher Rechtsgüter und unter Beachtung des Regelungsinhalts des § 6b BDSG[110] unternommen wird.

VII. Prozessuales Verwertungsverbot
Grundsätzlich können rechtswidrig gewonnene Erkenntnisse aus Videoüberwachungen prozessual wegen des bestehenden Beweisverwertungsverbots nicht verwertet werden (§ 284 ZPO)[111].

[96] OLG Zweibrücken, Beschl. v. 20.6.2003 – 3 W 126/03, NZM 2003, 719.[97] grundlegend: BGH, Urt. v. 25.4.1995 – VI ZR 272/94, NJW 1995, 1955; hierzu ebenfalls sehr instruktiv: OLG Köln, Urt. v. 5.7.2005 – 24 U 12/05, NZM 2005, 758.[98] BVerfGE 67, 100 (143 ff.); 65, 1 (42 ff.).[99] BGH, Urt. v. 16.3.2010 – VI ZR 176/09, NJW 2010, 1533.[100] LG Bonn, Urt. v. 16.11.2004 – 8 S 139/04; LG Darmstadt, Urt. v. 17.3.1999 – 8 O 42/99, NJW 2000, 360.[101] was insbesondere Hauszugänge regelmäßig nicht sind: Gola/Schomerus, BDSG, 9. Aufl. 2007, § 6b Rn. 8.[102] BayObLG, Beschl. v. 27.10.2004 – 2Z BR 124/04, ZMR 2005, 299; KG, Beschl. v. 26.6.2002 – 24 W 309/01, ZMR 2002, 864, AG Lichtenberg, Urt. v. 9.12.2004 – 2 C 274/04.[103] OLG Düsseldorf, Beschl. v. 5.1! .2007 – I-3 Wx 199/06, ZMR 2007, 290.[104] OLG Karlsruhe, Urt. v. 8.11.2001 – 12 U 180/01, NZM 2002, 703.[105] OLG Köln, NJW 2009, 1827.[106] BGH, Urt. v. 25.4.1995 – VI ZR 272/94, NJW 1995, 1955.[107] OLG Köln, Urt. v. 5.7.2005 – 24 U 12/05, NZM 2005, 758.[108] OLG Düsseldorf, Beschl. v. 5.1.2007 – I-3 Wx 199/06, ZMR 2007, 290.[109] OLG Karlsruhe, Urt. v. 8.11.2001 – 12 U 180/01, NZM 2002, 703.[110] OLG München, Beschl. v. 11.3.2005 – 32 Wx 002/05, ZMR 2005, 474.[111] OLG Köln, Urt. v. 5.7.2005 – 24 U 12/05, NZM 2005, 758; OLG Karlsruhe, Urt. v. 8.11.2001 – 12 U 180/01, NZM 2002, 703; AG Zerbst, Urt. v. 31.3.2003 – 6 C 614/02, NZM 2003, 897

Quelle: Rüdiger Fritsch, Rechtsanwalt Fachanwalt für Miet- und  Wohnungseigentumsrecht